Wiedergabe von Hörfunksendungen in Zahnarztpraxen regelmäßig nicht vergütungspflichtig
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18.06.2015 (Az.: I ZR 14/14) entschieden, dass die Wiedergabe von Hörfunksendungen in Zahnarztpraxen regelmäßig nicht öffentlich und damit auch nicht der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) gegenüber vergütungspflichtig ist.
Was war geschehen? Ein Zahnarzt hatte einen mit der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) bestehenden Lizenzvertrages fristlos gekündigt. Er argumentierte, dass der Lizenzvertrag in der Annahme geschlossen worden war, dass die Rechtsprechung in der Lautsprecherübertragung von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Arztpraxen eine vergütungspflichtige öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG sieht. Durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 sei die Geschäftsgrundlage des Lizenzvertrages entfallen, was zur fristlosen Kündigung berechtige.
§ 15 Abs. 3 UrhG regelt, dass die Wiedergabe öffentlich ist, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.
Der Gerichtshofes der Europäischen Union hatte jedoch am 15.03.2012 (EuGH, Urt. v. 15.03.2012, Rs. C-135/10 − Società Consortile Fono grafici (SCF) ./. Marco Del Corso) in einem vergleichbaren Fall aus Italien entschieden, dass ein Zahnarzt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Unionsrechts vornimmt, wenn er Tonträger in einer Arztpraxis abspielt, da die Patienten üblicherweise eine Gesamtheit von Personen bilden, deren Zusammensetzung weitgehend stabil ist und mithin eine bestimmte Gesamtheit potenzieller Leistungsempfänger und nicht „Personen allgemein“ im Sinne des Unionsrechts darstellen. Zudem sei bei Patienten eines Zahnarztes die Mehrzahl der Personen in der Praxis unerheblich oder sogar unbedeutend sei, da sich regelmäßig nur ein begrenzter Kreis der Patienten in der Praxis aufhalte, nämlich nur diejenigen mit einem Arzttermin. Auch würden die Patienten infolge der abwechselnden Anwesenheit nicht alle denselben Tonträger hören, was insbesondere bei der Wiedergabe von Hörfunkprogrammen der Fall sei. Ferner diene die Wiedergabe nicht einem Erwerbszweck, da die Zahnbehandlung und nicht die Wiedergabe von Musik im Vordergrund stehe.
Bereits das mit dem jetzt vom Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren entschiedenen Rechtsstreit zuerst befasste Amtsgericht Düsseldorf (Urteil vom 17.10.2013 - 57 C 12732/12, ZUM 2014, 160) gab dem Zahnarzt teilweise Recht. Lediglich soweit eine Anfechtung mit Wirkung für die Vergangenheit erklärt worden war, hielt es die Klage der GEMA für begründet. Die Berufung der GEMA hiergegen war ohne Erfolg geblieben. Das Landgericht Düsseldorf nahm mit Urteil vom 04.04.2013 - 23 S 144/13 ebenfalls an, dass vom Zahnarzt lediglich die Zahlung einer anteiligen Vergütung bis zur Beendigung des Lizenzvertrages durch fristlose Kündigung geleistet werden müsse. Der zu beurteilende Sachverhalt stimmte in allen wesentlichen Punkten mit dem Sachverhalt überein, der dem Gerichtshof der Europäischen Union bei seiner Entscheidung vorgelegen hatte, so dass sich der Bundesgerichtshof ebenfalls den Vorinstanzen anschloss.
Fazit: Wie jede Gerichtsentscheidung der Gerichte handelt es sich auch hier selbstverständlich um eine Einzelfallentscheidung. Nichtsdestotrotz kann eines konstatiert werden: Die richtlinienkonforme Auslegung des § 15 Abs. 3 UrhG führt dazu, dass die Wiedergabe von Hörfunksendungen in Bereichen mit festem Patienten-, Mandanten- oder Kundenstamm regelmäßig nicht öffentlich und mithin nicht vergütungspflichtig ist, solange ein typischer Praxis- oder Kanzleiablauf vorliegt und - was typischerweise der Fall ist - die Wiedergabe nicht dem eigentlichen Erwerbszweck dient.
Stand: 19.06.2015