Loyalität des Unternehmens zum Kapitän
- Die rechtliche Einordnung der Übernahme von Sanktionen für Organe: Fallbeispiel Dieselskandal –
Skandale, Geldstrafen, Geldbußenund Geldauflagen: In den vergangenen Jahren scheinen strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue, des Betruges, der Bilanzfälschung oder der Insolvenzverschleppung einen höheren Stellenwert in der Berichterstattung der Wirtschaftsnachrichten eingenommen zu haben. Ein besonderes öffentlichen Interesse konnten zuletzt beispielsweise die Vorgänge rund um die einstige Vorzeigebank Deutsche Bank AG, den Automobilhersteller Audi AG oder auch die Drogeriemarktkette Anton Schlecker e.K. auslösen. Die öffentliche Diskussion und Aufklärung einzelner Vorgänge innerhalb der Gesellschaft ist jedoch selten im Interesse des Unternehmens und dessen Kapitäns. Die geräuschlose Aufarbeitung und Erledigungder Vorgänge können vielmehr sogar das ureigene Interesse der Gesellschaft sein. Das Worst Case-Szenario dürfte eine Pressemitteilung der ermittelnden Behördegleich der nachfolgenden sein:
Pressemitteilung
der Staatsanwaltschaft München II
vom 18.06.2018
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre betreffend AUDI-Motoren hat die Staatsanwaltschaft München II am 18.06.2018 gegen den Vorsitzenden des Vorstands der AUDI AG, Herrn Prof. Rupert Stadler, einen Haftbefehl vollzogen, den das Amtsgericht München auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen hatte.
Der Beschuldigte wurde der Ermittlungsrichterin vorgeführt, die den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet hat.
Der Haftbefehl stützt sich auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr.
Hinsichtlich des Gegenstands der Ermittlungen wird ergänzend auf die Pressemitteilungen vom 15.03.2017, 06.02.2018, 22.02.2018 und 11.06.2018 verwiesen.
Weitergehende Auskünfte können mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen derzeit nicht gegeben werden.
Ermittlungsverfahren müssen nicht immer auf ein als kriminell einzustufendes Handeln zurückzuführen sein. Es genügt oftmals schon das Übersehen oder nicht konsequente Umsetzen eines Schutzgesetzes,um die Ermittlungsmaschinerie mit ihren Nebenerscheinungen ins Laufen zu bringen.
Mit dem Beitrag soll daher ein Blick auf die immer wiederkehrende Frage geworfen werden, in welchem Umfang sich das Unternehmen loyal mit seinem Kapitän zeigen kann, darf oder gar muss, um der Person zur Seite zu stehen und Ermittlungsverfahren aus der öffentlichen Wahrnehmung zu bekommen. Ein besonderes Augenmerk soll daher der Übernahme der Geldauflage im Zuge der Einstellung des Strafverfahren nach § 153a StPO eingeräumt werden.
1. Übernahme von Geldauflagen nach § 153a StPO
Für die Gesellschaft kann ein Ermittlungsverfahren gegen ihren Kapitän mit unangenehmen und wirtschaftlich belastenden Nebenerscheinungen verbunden sein. Etwa finden die Durchsuchungen im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens regelmäßig in den Räumen der Gesellschaft statt. Da die Staatsanwaltschaften die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kennengelernt und zu nutzen gelernt haben, finden die Ermittlungen und Durchsuchungen nicht mehr unbemerkt, sondern flankiert mit der entsprechenden Presseberichterstattung statt. Es sei nur an die Durchsuchung beim Post-Vorstandschef Klaus Zumwinkel erinnert, bei der die TV-Kameras das Eintreffen der Steuerfahnder aufzeichneten, die Fernsehsender also schon vorab Kenntnis von der anstehenden Durchsuchung hatten; oder an die Durchsuchung bei der Deutschen Bank AG oder die Presseberichterstattung im Zuge des Dieselskandals bezogen auf die Unternehmensmutter VW und deren Töchter.
Letztlich ist es auch die Gesellschaft, gegen die sich die Unternehmensgeldbußen nach § 30 OWiG und die Verfallsanordnungen etc. richtet.Beispielsweise hat die Staatsanwaltschaft München II das im Zuge der Diesel-Affäregegen die VW-Tochter Audi AG geführte Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verletzung der Aufsichtspflicht in Unternehmen mit der Verhängung einer Geldsanktion in Höhe von 800 Millionen Euro rechtskräftig abgeschlossen.Im Rahmen der Ahndung der Ordnungswidrigkeit wurde damit der für die Begehung einer fahrlässigen Straftatgesetzliche Höchstbetrag von fünf Millionen Euro festgesetzt. Die übrigen 795 Millionen Euro betreffen die Abschöpfung der wirtschaftlichen Vorteile aus dem pflichtwidrigen Verhalten. (vgl. Pressemitteilung 7/2018 - Bayerisches Staatsministerium der Justiz)Vorangegangen waren die von der Weltpresse mit Interesse verfolgten Durchsuchungen bei Mitarbeiter des Automobilherstellers und im Unternehmen selbst sowie die Verhaftung des Vorstandsvorsitzenden Prof. Rupert Stadler.
Im Fall von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt der Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage nach § 153a StPO daher eine besondere Bedeutung zu. Das Ermittlungsverfahren wird endgültig eingestellt, sobald die angesetzte Geldauflage gezahlt ist. Mit der Geldzahlung ist dem Strafverfolgungsinteresse genüge getan und das Ermittlungsverfahren wird beendet.Es finden keine Ermittlungshandlungen mehr statt und das Unternehmen kann ebenso wie der Kapitän aus der Schusslinie sein.
Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 153a StPO erfolgt jedoch nur mit Zustimmung des Beschuldigten. Um demUnternehmenskapitän einen Anreiz zu geben, der Einstellung des Verfahrens gegen Geldzahlung zustimmen und damit auch die Gesellschaft aus der Schusslinie des öffentlichen Interesses zu nehmen, kann beispielsweise vereinbart werden, dass die Gesellschaft die Geldzahlung übernimmt.
Strafrechtlich ist bei der Übernahme von Geldauflagen durch das Unternehmen aber immer zu beachten, dass die Übernahme der Geldauflage den Straftatbestand der Untreue erfüllen kann, wenn die Zahlung nicht im Interesse der Gesellschaft liegt.Die Erstattung der Geldauflage erfüllt jedoch nicht den Straftatbestand der Begünstigung oder Strafvereitelung nach §§ 257, 258 StGB, so dass insofern kein Vorsicht geboten ist.
2. Übernahme von Geldstrafen und Geldbußen
Auch die Übernahme von Geldstrafen und -bußen erfüllt nicht den Straftatbestand der Begünstigung oder Strafvereitelung nach §§ 257, 258 StGB und kann im Interesse der Gesellschaft erforderlich sein.Solange die Übernahme der Geldsanktion im Interesse der Gesellschaft liegt, gilt auch hier, dass die Übernahme der Geldsanktion den Straftatbestand der Untreue nicht erfüllt.
Es seinochmals klargestellt, dassdergesamte Themenkomplex – angefangen von der Übernahme der Geldauflage bis hin zur Übernahme der Geldsanktionen – nicht ausschließlich die großen Wirtschaftsfälle betreffen muss, sondern auch der Geschäftsführer einer mittelständischen GmbH in das Fadenkreuz der Ermittlungen geraten kann. Auchdann kann im Interesse der Gesellschaft die Übernahme der Geldsanktion zweckdienlich sein.
Ein schönes Beispiel bildet dafür der vom Bundesfinanzhof (v. 22.07.2008, Az.: VI R 47/06) in Bezug auf die steuerrechtliche Seite beleuchtete Fall eines Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, gegen den wegen des Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen ein Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung erging. Außerdem wurde ein Strafverfahren wegen eines weiteren derartigen Verstoßes nach § 153a Abs. 2 StPO gegen Geldauflage eingestellt. Geldbuße und -auflage wurden beide von der GmbH übernommen.
3. Entscheidungsvoraussetzungen
Wirddas Ermittlungsverfahren nach § 153a StPO eingestellt, ist über die Frage, ob und in welchem Umfang eine Verfehlung begangen wurde, gerade keiner abschließende Entscheidung durch ein Gerichtergangen.Sobald das belastende Ermittlungsverfahren ausgestanden ist, wirdzu klären sein, ob das Vorstandsmitglied die ihm zur Last gelegten Verfehlungen tatsächlich begangen hat und ob hierin ein Pflichtverstoß gegenüber der Gesellschaft liegt. Die Übernahme der Geldauflage kann eine umfassende innerbetriebliche Aufklärung und Folgeverfahren mit ggf. Beweisnachteilen nach sich ziehen.
Die aus der Entscheidung der Übernahme resultierenden Folgen müssendaher bei der Beurteilung der Frage, ob eine Übernahme der Geldsanktion erfolgen soll, bereits Berücksichtigung finden.
So kann etwa in einer Aktiengesellschaft die Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage, die gegen ein Vorstandsmitglied verhängt worden ist, nicht immer allein aufgrund eines Aufsichtsratsbeschlusseserfolgen. Sollte die vom Vorstandsmitglied begangene Straftat gleichzeitig eine Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft darstellen, muss entsprechend § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG die Hauptversammlung der Übernahme der Sanktion durch die Gesellschaft zustimmen. Das vor dem Hintergrund, da den Nachteil eigentlich der Vorstand zu tragen hat, die Gesellschaft sich nicht lediglich passiv Verhält, sondern aktiv gleich einem Verzicht auf einen Schadenersatzanspruch leistet, und das Vermögen der Minderheitsaktionäre zu schützen ist. Das Vermögen steht immerhin den Aktionären und nicht dem Aufsichtsrat zu.
Stehen der Aktiengesellschaft durchsetzbare Schadenersatzansprüche zu, hat der Aufsichtsrat diese Ansprüche grundsätzlich zu wahren und zu verfolgen. Davon darf er nur ausnahmsweise absehen, wenn gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls dagegensprechen und diese Umstände die Gründe, die für eine Rechtsverfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind. Entsprechend dervom Bundesgerichtshof mit dem sogenannten ARAG./.Garmenbeck-Urteil (Urteil v. 21.04.1997 – II ZR 175/95) aufgestellten Grundsätze darf der Aufsichtsratdie Erstattung einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage daher nur nach pflichtgemäßer Abwägung des Einflusses der Erstattung auf das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, auf die Arbeitsmoral sowie die künftige Gesetzestreue des Betroffenen und der Belegschaft mit der Schuld des Betroffenen und dem Schaden für die Gesellschaft ausnahmsweise aufgrund gewichtiger Gründe des Unternehmenswohls beschließen. Anderen außerhalb des Unternehmenswohles liegenden, die Vorstandsmitglieder persönlich betreffenden Gesichtspunkten darf der Aufsichtsrat nur in Ausnahmefällen Raum geben.
Wenn also das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft durch eine Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat, muss die Hauptversammlung einer Übernahmeder Geldstrafe, -buße oder -auflage durch die Gesellschaft zustimmen. (BGH, Urt. v. 08.07.2014 - II ZR 174/13)
Gerade in den Fällen der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO, in denen eine etwaige Pflichtverletzung nicht abschließend festgestellt wird, muss also das Nichtbestehen einer Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat festgestellt werden, wenn die Hauptversammlung der Übernahme der Geldsanktion nicht zugestimmt hat und die Übernahme im „Alleingang“ beschlossen werden soll.Wenn sich der Aufsichtsrat mit der Übernahme einer Geldsanktion in einem solchen Zeitpunkt befassen muss, in dem noch keine ausreichenden Informationen über eine Pflichtverletzung vorliegen, könnte er die Zahlung unter den Vorbehalt der Rückforderung nach abschließender Prüfung des Sachverhalts stellen, etwa in Form eines Darlehens.
Entsprechendes gilt bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, da Sorgfaltspflichtund Verantwortlichkeit des Komplementärsaufgrund der Überleitungsnorm des § 283 Nr. 3 AktG entsprechend den für den Vorstand der Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften ausgestaltet ist.
Nicht abschließend geklärt ist die Frage, welche Bedeutung die oben genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs bei Gesellschaften mit anderer Rechtsform hat.Bei der GmbH ohne Aufsichtsrat nimmt die Gesellschafterversammlung die Funktionen des Aufsichtsrats wahr, das heißt, sie überwacht die Geschäftsführung und hat sich mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen und auch mit der Übernahme von Geldstrafen, bußen oder -auflagen zu befassen.
Letztlich gilt unabhängig von der Rechtsform, dass die Geschäftsführung immer gut beraten ist, das betriebliche Interesse an der Übernahme der Geldauflage nachvollziehbar zu begründen und die dafür herangezogenen Gründe zu dokumentieren. Dies schon zwecks Nachvollziehbarkeit der Unternehmerentscheidung undum dem Vorwurf der Untreue (§ 266 StGB) entgegenzuwirken.Die zur Übernahme von Geldsanktionen bei der Aktiengesellschaft entwickelten Grundsätze können dabei immer als Blaupause zur Begründung der Unternehmensentscheidung dienen.
3. Steuerrechtliche Betrachtung
Die Übernahme der Geldauflage wirkt sich selbstverständlich auch steuerrechtlich aus. So stelltdie vom Unternehmen übernommene Geldauflage regelmäßig einen geldwerten Vorteil dar, für den Lohnsteuer und Sozialabgaben abzuführen sind. Das gilt zumindest immer dann, wenn nicht aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse die Zahlung einer Geldbuße und einer Geldauflage erfolgt. (BFH, Entsch. v. 22.07.2008, Az.: VII R 47/06). Die Zahlung ist andererseits gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 KStG in Verbindung mit § 12 Nr. 4 EStG nicht immer als Betriebsausgabe abziehbar.Abziehbar wäre die Geldauflage allenfalls dann, wenn die Auflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen würde. Sollte die Staatsanwaltschaft die steuerrechtlich vorteilhafte Einordnung der Geldauflage mittragen, so sollte das genutzt werden. Erfahrungsgemäß fließen Geldauflagen aber meist an gemeinnützige Vereine oder in die Staatskasse. Ein Abzug übernommener Geldstrafen als Betriebsausgabe scheidet zweifelsohne aus. Dem § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG kann unmissverständlich entnommen werden, dass von einem Gericht oder einer Behörde oder von Organen der Europäischen Union festgesetzte Geldbußen – wie zum Beispiel nach § 17 OWiG –, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder nicht als Werbungskosten abgezogen werdenkönnen.
Werden im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren Verteidigungskosten übernommen, werden diese als Betriebsausgaben anerkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die betriebliche Veranlassung immer dann zu bejahen, wenn die dem Strafverfahren zugrundeliegende Tat in Ausübung der betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit begangen wurde (BFH, Entsch. v. 20.09.1989, Az.: X R 43/86, BStBl II 90, 20). Die zur Last gelegte Tat muss dabei ausschließlich und unmittelbar aufdas berufliche Verhaltenzurückzuführen sein (BFH, Urt. v. 18.10.2007, Az.: VI R 42/04, BStBl II 08, 223). Wenn das Verfahren nach § 153a StPO eingestellt wird, kann mangels Tatsachenfeststellung auch nicht unterstellt werden, dass strafbare Zuwendungen geleistet worden sind, so dass das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EstG – vorbehaltlich eigener Prüfungen durch das Finanzamt – nicht greift.
Auch durch die Übernahme von Verteidigungskosten kommt es im Übrigen zur Zuwendung geldwerte Vorteile. Wie bereits oben beschrieben sollte daher auch hier durch eine umfassende Dokumentation der Nachvollziehbarkeit der Unternehmerentscheidung Rechnung getragen und dem Vorwurf der Untreue (§ 266 StGB) entgegengewirkt werden.
Für die auf die Verteidigerrechnungen geleistete Vorsteuer besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Erstattung nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UstG, da es sich nicht um Kosten für die Verteidigung des Unternehmens selbst handelt. Etwas anderes gilt etwa bei Verteidigerkosten,die im Zuge der Verteidigung gegen eine drohende Unternehmensgeldbuße nach § 130 OWiG oder dem drohenden Verfall entstanden sind.