- Zurück
Der Eigenbedarf im Mietverhältnis:
die eigene Nutzung von Wohn- und Gewerberaum
I. Einleitung
Bei der Frage, wie man einen schwierigen (Wohnraum-)Mieter kündigen kann, ohne dass ein eindeutiger gesetzlicher Kündigungsgrund vorliegt, kommt zumeist irgendwann der Gedanke, man könne Eigenbedarf anmelden; der Sohn könne doch in die Wohnung einziehen oder die Wohnung könne als Büro für die eigene Firma genutzt werden. Die Frage, wann die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung tatsächlich vorliegen, wie diese erfolgreich umgesetzt werden kann, und, warum das Vortäuschen von Eigenbedarf äußerst riskant ist, ist Thema dieses Vortrags.
II. Eigenbedarf als Kündigungsgrund
Voraussetzung für die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses ist das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Vermieters an der Kündigung (§ 573 I 1 BGB). Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn der Vermieter die Mietwohnung als Wohnung für sich, Familienangehörige oder Angehörige seines Haushalts benötigt ( §573 II Nr. 2 BGB).
1. Eigenbedarf ( § 573 II Nr. 2 BGB)
a) Nutzung als Wohnung
Die Nutzung als Wohnung für längere Dauer (Rechtsprechung variiert zwischen mindestens 1 - 2 Jahren) muss beabsichtigt sein. D.h., die Nutzung als Gewerberaum fällt nicht unter § 573 II Nr. 2 BGB. Dabei sind zum Beispiel auch folgende beabsichtigte Nutzungen zulässig: Nutzung als Zweit- oder Ferienwohnung, geplanter Umbau oder Zusammenlegung mit einer anderen Wohnung.
b) Begünstigter Personenkreis
Zum begünstigten Personenkreis gehört zunächst der Vermieter selbst, wenn er die Wohnung in Person beziehen möchte. Bei einer Mehrheit von Vermietern ist ausreichend, wenn einer die Wohnung beziehen will. Die Kündigung kann auch im Interesse der Nutzung durch Familienangehörige des Vermieters oder Angehörige dessen Haushalts erfolgen. Die Frage der Familienangehörigkeit im Sinne dieser Vorschrift beantwortet sich anhand zweier Aspekte. Zum einen sind die verwandtschaftlichen und schwägerschaftlichen Beziehungen zu berücksichtigen, zum anderen die persönliche Verbundenheit mit dem Vermieter. Unterstellt werden kann die erforderlich persönliche Verbundenheit nur bei besonders engen verwandtschaftlichen Beziehungen, wie zwischen Eltern und Kind oder unter Geschwistern. Im Übrigen muss diese konkret dargelegt und im Zweifelsfall bewiesen werden. Angehörige des Haushalts des Vermieters sind Personen, die dieser auf Dauer in seine Wohnung aufgenommen hat, die mit ihm in enger Hausgemeinschaft leben und dort keinen eigenen Hausstand führen. Dies sind zum Beispiel Pflegekinder, Kinder von Lebensgefährten oder Pflegepersonal.
c) Benötigen
Die Wohnung wird benötigt, wenn der Vermieter hierfür vernünftige und nachvollziehbare Gründe hat. Jedes Interesse des Vermieters von einigem Gewicht, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht, ist ausreichend. Die gerichtliche Prüfung ist diesbezüglich beschränkt auf eine Plausibilitätskontrolle im Sinne einer Willkürkontrolle: Im ersten Schritt prüft das Gericht, ob das geltend gemachte Interesse an sich nachvollziehbar und vernünftig ist, im zweiten Schritt, ob dieses in der Wohnung realisierbar ist.
Als nachvollziehbare und vernünftige Gründe wurden bestätigt: der Wunsch eine kleinere/größere, günstigere oder näher am Arbeitsplatz gelegene Wohnung zu beziehen, aber auch der Wunsch, den Lebensabend im Elternhaus zu verbringen.
d) Zeitpunkt
Die oben genannten Voraussetzungen müssen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorliegen oder in nächster Zukunft, spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist realisierbar sein.
Fallen die Voraussetzungen vor Ablauf der Kündigungsfrist weg, ist der Vermieter verpflichtet, den Mieter hierüber zu informieren und diesem die Fortsetzung des Mietverhältnisses anzubieten, was der Mieter stillschweigend durch Fortsetzung der Nutzung annehmen kann. Die Frage, ob eine entsprechende Verpflichtung auch besteht, wenn die Voraussetzungen des Eigenbedarfes nach Ablauf der Kündigungsfrist entfallen, ist höchst streitig, wird aber von der herrschenden Meinung verneint.
e) Ausschluss
Die Rechtsprechung hat 3 Fallgruppen entwickelt, innerhalb derer die Geltendmachung von Eigenbedarf rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) ist:
- überhöhter Bedarf (z.B. Einfamilienhaus oder 100 m²-Wohnung für Schüler oder Studenten)
- unzureichende Bedarfsvorschau (Geltendmachung von Gründen, die bei Vertragsschluss bereits bekannt oder vorhersehbar waren)
- Keine Inanspruchnahme oder Anbieten einer vergleichbaren Alternativwohnung
2. Betriebsbedarf ( § 573 I BGB)
Da juristische Personen bzw. ein Betrieb keinen Eigenbedarf geltend machen können, hat die Rechtsprechung die Fallgruppe des Betriebsbedarfes entwickelt.
Diese orientiert sich jedoch in ihren Anforderungen an denen des Eigenbedarfes, auch was Zeitpunkt des Vorliegens des Bedarfes und Ausschlussgründe angeht. Ein Fall des Betriebsbedarfes liegt insbesondere vor, wenn eine Werkmietwohnung (Mietvertrag wird im Zusammenhang mit Arbeitsvertrag abgeschlossen, § 576 b BGB) oder eine Werkdienstwohnung (Überlassung der Wohnung als Teil der arbeitsvertraglichen Gegenleistung des Arbeitgebers/Gehaltsbestandteil, § 576 BGB) nach Ausscheiden des diese bewohnenden Arbeitnehmers aus dem Betrieb für einen neuen Arbeitnehmer benötigt wird.
III. Frist
Die Fristen der ordentlichen Kündigung von Wohnraum sind in § 573 c BGB geregelt.
IV. Form der Kündigung
Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen, § 568 S. 1 BGB.
Zudem ist der Mieter über sein Widerspruchsrecht gemäß §§ 574 ff BGB zu belehren (Widerspruch in Schriftform / spätestens 2 Monate vor Beendigung / Aufforderung zur Mitteilung der Härtefallgründe).
Zur Wahrung der Form sind zudem die Kündigungsgründe mitzuteilen bzw. schlüssig darzustellen (§ 573 III BGB). Der von der Rechtsprechung für die Eigenbedarfskündigung entwickelte Maßstab ist dabei besonders streng. Es sind die Personen - zumindest identifizierbar - zu benennen, für die der Bedarf geltend gemacht wird, das Verhältnis zu diesen, sowie der konkrete Sachverhalt, aus welchem sich der Bedarf ergibt. Wie konkret die Angaben im Einzelfall sein müssen, ob auch Stellung zu einem Nichtvorliegen von Ausschlusstatbeständen zu nehmen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten und sollte im Einzelfall mit einen Fachmann geklärt werden. Ein Nachschieben von Kündigungsgründen ist nur sehr eingeschränkt möglich und jedenfalls ausgeschlossen, soweit diese bereits bei Ausspruch der Kündigung vorlagen (!).
Genügt die Begründung der Kündigung nicht den Anforderungen des § 573 III BGB, ist diese – unabhängig von der Frage, ob ein Kündigungsgrund vorliegt - unwirksam! Die Kündigung muss in diesem Fall neu ausgesprochen werden mit der Folge, dass sich das Beendigungsdatum nach hinten verschiebt.
V. Vortäuschen des Eigenbedarfes
Wird die Wohnung nach Auszug des Mieters nicht entsprechend des angegebenen Kündigungsgrundes genutzt, zum Beispiel veräußert, stellt sich aus Sicht des Mieters die Frage, ob der Eigenbedarf gegebenenfalls nur vorgetäuscht war. Von einem Vortäuschen des Eigenbedarfes ist zum einen auszugehen, wenn die angegebenen Kündigungsgründe von vorneherein nicht bestanden, zum anderen aber auch dann, wenn diese vor Ablauf der Kündigungsfrist weggefallen sind und der Vermieter seinen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen ist.
Das Vortäuschen von Eigenbedarf im Rahmen eines Räumungsprozesses ist zumindest als versuchter Prozessbetrug zu bewerten und zieht gegebenenfalls strafrechtliche Konsequenzen nach sich.
Zudem kommt ein Anspruch des ehemaligen Mieters auf Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung des Mietvertrags in Betracht. Es ist der finanzielle Schaden zu ersetzen, der durch die falschen Angaben bzw. Verletzung der Mitteilungspflicht des Vermieters adäquat-kausal verursacht wurde. Dafür, dass der Eigenbedarf tatsächlich bestand und erst nach der Räumung weggefallen ist, liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Vermieter.