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Erste Hilfe bei Mietnomaden
- Vom Mietvertragsabschluss bis zur Räumung –
I. Das Problem
Mietnomaden kosten den Vermieter viel Geld. Abgesehen davon, dass mit dem Einzug sog. Mietnomaden in der Regel kurzfristig die Mieteinnahmen ausbleiben, sind Schäden an der Mietwohnung und eine Vermüllung derselben keine Seltenheit. Gleichzeitig ist unser Mietrecht in erster Linie als Mieterschutzrecht ausgestaltet. Mietverfahren dauern und sind kostspielig. Was Sie als Vermieter tun können, um die gesetzlichen Möglichkeiten zum Schutz gegen Mietnomaden bestmöglich zu nutzen, ist Gegenstand dieses Vortrags.
II. Präventive Maßnahmen im Rahmen der Vertragsanbahnung
Im Idealfall kommt ein Mietvertrag mit Mietnomaden gar nicht erst zustande. Um Mietnomaden zu erkennen, muss der Vermieter die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen. Diese bestehen in erster Linie darin, dem Mietinteressenten im persönlichen Gespräch oder via Bewerbungsformular Fragen zu stellen und ggf. Nachweise zu den getroffenen Angaben zu verlangen.
1. Das Fragerecht des Vermieters
Bei der „Befragung“ von Mietinteressenten – gleich, ob persönlich oder im Rahmen einer schriftlichen Selbstauskunft - ist deren grundrechtlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren. D.h., zulässig sind ausschließlich Fragen, an deren Beantwortung der Vermieterein berechtigtes Interesse hat. Dies ist gegeben, wenn ein sachlicher Zusammenhang der Frage zu dem Mietvertrag besteht.
Bejaht wurde ein berechtigtes Interesse des Vermieters in der Rechtsprechung u.a. für Fragen nach demFamilienstand, der Anzahl der Haushaltsangehörigen, nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen (BGH (VIII ZR 107/13) NJW 2014, 1954), nach dem Arbeitgeber (LG München I GE 2009, 1317.), nach Haustieren, nach Person und Anschrift des vorherigen Vermieters, der Dauer des vorangegangenen Mietverhältnisses und der Erfüllung der mietvertraglichen Pflichten (LG München I GE 2009, 1317.). Bei gewerblicher Vermietung sind Fragen nach dem Geschäftszweck, dem Sortiment und der Anzahl der Mitarbeiter zulässig. Unzulässig sind dahingegen Fragen z.B. nach Parteimitgliedschaften, Vereins- oder Religionszugehörigkeiten, Heiratsabsichten, Schwangerschaften.Strittig ist, ob allgemein danach gefragt werden darf, ob der Mietinteressent raucht.
Beantwortet der Mietinteressent eine zulässige Frage falsch, berechtigt dies den Vermieter zu Anfechtung des Mietvertrags mit der Folge, dass das Mietverhältnis mit Erklärung der Anfechtung rückwirkend nichtig ist.Eine Anfechtung kommt auch dann in Betracht, wenn der Mietinteressent es unterlässt ungefragt Angaben zu offenkundig vertragswesentlichen Aspekten zu machen (z.B. Bezug von Sozialleistungen). Im Wohnraummietrecht sind bei der Frage der Anfechtbarkeit allerdings sozialeGesichtspunkte zu berücksichtigen.
Zu beachten ist ferner, dass das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz mit seinen Diskriminierungsverboten grundsätzlich auch für Mietverhältnisse gilt. Verstöße werden mit Ansprüchen des Verletzten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sanktioniert.
Die geltenden Gesetze zum Datenschutz sind ebenfalls bei der Beurteilung der Reichweite des Fragerechts zu berücksichtigen. Bei Stellung eines Formulars zur Selbstauskunft sollte eine Datenschutzerklärung aufgenommen werden.
2. Vorlage von Nachweisen
Entsprechend der obigen Grundsätze hat der Vermieter keinen generellen Anspruch darauf, von Mietinteressenten die Vorlage eine Schufa-Selbstauskunft oder die Freigabe zur Einholung einerBonitäts-Auskunft zu verlangen. Erst wenn der Vermieter sich bereits zum Vertragsabschluss mit einem bestimmten Mietinteressenten entschlossen hat, kann er diesen entsprechend in Anspruch nehmen.
3. Übergabe
Jeder Mietvertrag sollte die Leistung einer Kaution beinhalten. Zwar ist die Höhe der Mietsicherheit im Wohnraummietrecht auf 3 Kaltmieten beschränkt und der Mieter berechtigt, diese in 3 monatlichen Raten mit den 3 ersten Mieten zu entrichten, der Vermieter darf jedoch die Übergabe der Mietwohnung davon abhängig machen, dass zumindest die erste Kautionsrate geleistet ist.
4. Mietausfallversicherung
Nach einer aktuellen Entscheidung des BGH ist der Vermieter berechtigt, die Kosten einer Mietausfallversicherung im Rahmen der Nebenkostenabrechnung auf den Mieter umzulegen (BGH VIII ZR 3/17). Diese umfasst nicht nur eine Absicherung gegen ausbleibende Mieten, sondern je nach Anbieter auch einen Schutz gegen Sachschäden.
III. Maßnahmen zumRückerhalt der Mietsache
1. Kündigung
„Der Kündigungsgrund“ bei Mietverhältnissen mit Mietnomaden ist die (fristlose) Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Da die Fälligkeit der Miete von Gesetzes wegen kalendermäßig bestimmbar ist, gerät der Mieter bei Nichtzahlung der Miete zum Termin automatisch in Zahlungsverzug. Wenn ein relevanter Mietrückstand auftritt sollte zügig gekündigt werden. Mahnungen sind entbehrlich und verzögern lediglich die Räumung.
Die außerordentlich fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs kommt in folgenden Varianten in Betracht:
- Der Mieter ist mit der Miete für zwei aufeinanderfolgende Termine (i.d.R. Monate) im Zahlungsverzug (§ 543 Abs. 3a) 1. Alt. BGB).
- Der Mieter ist mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete (höher als 1 Monatsmiete) im Verzug(§§ 543 Abs. 3a) 1. Alt., 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB).
- Der Mieter ist in einem Zeitraum, der mehr als zwei Termine umfasst, mit der Miete im Zahlungsverzug, wobei der Fehlbetrag mindestens zwei Mieten ausmacht (§ 543 Abs. 3b) BGB).
Der Mieter hat – alle 2 Jahre - gem. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB die Möglichkeit, die außerordentlich fristlose Kündigung unwirksam zu machen, indem er bis spätestens zwei Monate nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage entweder den bis dato aufgelaufenen Mietrückstand/Anspruch auf Entschädigung gem. § 546a BGB ausgleicht oder eine entsprechende Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle beibringt.
Aufgrund dessen sollte unter Bezugnahme auf den Zahlungsverzug stets zugleich hilfsweise ordentlich gekündigt werden. Wenn die fristlose Kündigung wegen Zahlung entfällt, bleibt die ordentliche Kündigung erhalten (BGH VIII ZR 231/17 & VIII ZR 261/17).
2. Räumung
Wenn die Kündigung ausgesprochen und die zur Räumung gesetzte Frist abgelaufen ist, stellt sich die Frage, wie es weiter geht. Das vom Gesetzgeber gewollte legaleVorgehen besteht in der Erhebung von Räumungsklage und Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher. In der mietrechtlichen Beratung sind jedoch auch die Varianten „kalte Räumung“ oder „kalter Auszug“ Thema.
a) Räumungsklage & Zwangsräumung
Sobald möglich sollte zur Vermeidung weiterer finanzieller Verluste Räumungsklage eingereicht werden.
Zugleich können die ausstehenden Mieten und die künftig fällig werdende Entschädigung für die fortgesetzte Nutzung der Mietsache tituliert werden. Ob dies Sinn macht, ist vor dem Hintergrund der meist fehlenden Bonität des Mieters eine Frage des Einzelfalls.Ein Grund für die Erhebung der Klage trotz fehlender Bonität kann sein, dass die Erstreitung eines Räumungstitels per einstweiliger Verfügung wegen Missachtung einer Sicherungsanordnung (§§ 940a Abs. 3, 283 a ZPO) angestrebt wird. Da die Räumung per einstweiliger Verfügung einen Ausnahmefall darstellt, sind die Anforderungen an die Darstellung der erheblichen Nachteile des Vermieters enorm und bedingen in der Regel eine umfassende Offenlegung der eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse.
Nicht selten stellt sich nach Vorliegen des Räumungsurteils heraus, dass sich in der Wohnung unbekannte Dritte befinden. Handelt es sich um Minderjährige, ist dies unerheblich. Handelt es sich um Volljährige, benötigt der Vermieter zur Durchsetzung des Räumungsanspruchs einen eigenen Vollstreckungstitel. Diesen kann er sich gem. § 940a Abs. 2 ZPO im Wege der einstweiligen Verfügung beschaffen.
Die Räumung durch den Gerichtsvollzieher kann zum einen durch unbeschränkten Räumungsauftrag erfolgen. In diesem Fall zieht der Gerichtsvollzieher eine Spedition hinzu, die die Wohnung erforderlichenfalls räumt und das Gut des Mieters einlagert. Die Transport- und Lagerkosten muss der Vermieter vorfinanzieren.
§§ 885 a Abs. 1 i.V.m. § 885 Abs. 1 ZPO geben dem Mieter seit dem „Gesetz zur Geringhaltung des Kostenaufwands“ die Möglichkeit, die Räumung darauf zu beschränken, dass der Mieteraus dem Besitz und der Vermieter in den Besitz gesetzt wird. Die geschieht meist durch Schlüsselrückgabe oder Schlossaustausch. Der Gerichtsvollzieher erstellt ein Protokoll über die frei beweglichen Sachen in der Wohnung (§ 885 a Abs. 2 ZPO).
Stehen dem Vermieter Zahlungsansprüche zu, kann er an dem in der Wohnung verbliebenen Gut ein Vermieterpfandrecht geltend machen.Wenn der Mieter nicht binnen eines Monats ab Räumung/Rückgabe die Herausgabe der Sachen fordert, darf der Vermieter die verwertbaren Sachen zu Geld machen und Unverwertbares entsorgen. Die Vernichtung von Sachen, an deren Aufbewahrung offenkundig kein Interesse besteht, ist sofort möglich (§885 a Abs. 3 S. 2 ZPO).
b) „Kalte Räumung“
Als „kalte Räumung“ bezeichnet man folgendes Vorgehen: Ist der Mieter scheinbar ausgezogen und nicht mehr greifbar, es fehlt aber an Räumung und Rückgabe, verschafft sich der Vermieter eigenmächtig Zugang zum Mietobjekt, sei es mittels Hinzuziehung der Polizei oder durch Austausch der Schlösser.
Dieses Vorgehen mag im Einzelfall zu praktischen Ergebnissen führen, ist allerdings hochriskant. Der Vermieter riskiert auf der einen Seite eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Auf der anderen Seite ist das Vorgehen zivilrechtlich als verbotene Selbsthilfe einzuordnen. Das bedeutet, der Mieter kann ohne Weiteres den Besitz der Mietsache in einem einstweiligen Verfügungsverfahren wiedererlangen. Entsorgt der Vermieter die in der Wohnung verbliebenen Sachen, haftet er verschuldensunabhängig auf Ersatz für den daraus entstandenen Schaden, da er mangels Vorliegen eines Räumungstitels obhutspflichtig ist (BGH VIII ZR 45/09).
c) „Kalter Auszug“
Der „kalte Auszug“ dahingegen ist eine Methode den unliebsamen Mieter aus der Wohnung „rauszuekeln“, indem dem Mieter die Versorgung mit Heizung, Wasser oder Strom entzogen wird. Dies ist nach einer Entscheidung des BGH vom 06.05.2009 ausnahmsweise zulässig, wenn das Mietverhältnis beendet ist, der Vermieter die Versorgung schuldet und der Mieter die Mietzahlungen eingestellt hat, so dass durch die weitere Belieferung Schaden droht (VII ZR 137/07). Soweit seitens des Mieters der Minderungseinwand erhoben wird, ist dies bei der Frage der Zulässigkeit der Einstellung der Versorgung zu berücksichtigen.
IV. Maßnahmen nach Rückerhalt der Mietsache
Abgesehen von der Frage der Verwertung ggf. verbliebener Wertsachen, stellt sich spätestens nun die Frage, ob es sich lohnt die ausstehenden Mieten titulieren zu lassen.
Ferner muss im Hinblick auf die kurze Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Veränderung und Verschlechterung der Mietsache gem. § 548a BGB – 6 Monate ab Rückerhalt der Mietsache - geklärt werden, ob Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden sollen. Insoweit ist der BGH durch eine Entscheidung aus Februar 2018 dem Vermieter entgegengekommen – es bedarf danach zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen keiner vorherigen Fristsetzung. Ob sich der Aufwand einer Klage auf Schadensersatz inklusive aufwendiger Beweisaufnahme lohnt, ist letztlich eine Einzelfallfrage.
V. Fazit
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich gegen Mietnomaden zur Wehr zu setzen, und, drohende Schäden zu vermeiden oder geringzuhalten. Bei der Frage, was konkret das Mittel der Wahl ist, unterstützen wir Sie gerne!
Gez. RAin Nina Dittmann-Kozub
Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht