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Georg
Hartmann
Fachanwalt für Steuerrecht und Familienrecht
Tel.: 02651-70505-12
gh@dittmann-hartmann.de
Das neue Unterhaltsrecht
Das neue Unterhaltsrecht ist jetzt - endlich - seit dem 01.01.2008 in Kraft, nachdem vorher mehrere Reformansätze ganz scheiterten oder verschoben wurden.
Dieses neue Recht soll zum einen der Rechtsklarheit und Vereinfachung dienen, zum anderen die ehelichen und nichtehelichen Partner gleich stellen. Programmatisch wird die Eigenverantwortlichkeit des Partners hervorgehoben, was dazu führt, dass alle Unterhaltstatbestände zukünftig zeitlich begrenzt werden können.
Wir sind uns - gerade zum jetzigen Zeitpunkt vier Wochen nach Beginn der Reform - bewusst, dass wir nicht alle Probleme aufzeigen können. Wir wollen Ihnen jedoch einen Überblick über die Neuerungen geben und Sie für die wesentlichen Änderungen sensibilisieren.
Beginnen wollen wir mit dem Kindesunterhalt, wenden uns dann dem Ehegatten- und Partnerunterhalt zu. Der dritte Teil umfasst Rangfragen (3 Frauen, 6 Kinder und kein Geld) und die Übergangsregelungen. Interessant kann ja auch sein, ob und unter welchen Umständen so genannte Altfälle abgeändert und den neuen Regelungen angepasst werden können.
Sollten Sie Fragen haben, melden Sie sich bitte jederzeit.
1. Kindesunterhalt
Als ein Hauptziel der Reform wurde die Besserstellung der Kinder genannt. Diese ist jedoch selbst bei vorsichtigem Optimismus nur teilweise eingetreten.
Die einzige wirkliche, aber in der Regel auch nur rechtliche Verbesserung besteht darin, dass Minderjährige und volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die noch im Haushalt eines Elternteils leben und sich in allgemeiner Schulausbildung befinden, im Rang vor allen anderen Unterhaltsgläubigern stehen, sodass komplizierte Mangelfallberechnungen meist nicht mehr erforderlich sein werden. Vorab wird zukünftig - soweit möglich - der volle Bedarf der Kinder gedeckt und die nachrangigen Unterhaltsgläubiger müssen sich den Rest teilen.
Rein wirtschaftlich betrachtet ergibt sich zumindest bei den bereits genannten Mangelfällen keine Veränderung, da der Betrag, der früher in komplizierten Berechnungen zwischen Kindern und betreuendem Elternteil quotenmäßig aufgeteilt wurde, jetzt voll bedarfsdeckend den Kindern zu Gute kommt, während der betreuende Elternteil in der Regel leer ausgeht.
Beispiel:
Bedarf: K1 300,00 €, K2 200,00 €, Ehefrau 250,00 € = Gesamtbedarf 750,00 €
Zur Verfügung stehen lediglich 500,00 €
bisherige Regelung:
K1 bekam 200,00 €, K2 bekam 133,33 €, die Ehefrau 166,66 €
Nach dem neuen Recht werden K1 und K2 vorab befriedigt (zusammen 500,00 €), die Ehefrau geht leer aus.
Ein Vergleich der alten Düsseldorfer Tabelle mit der ursprünglichen Fassung des neuen Unterhaltsrechts zeigt im übrigen, dass sich der Gesetzgeber zwar hehre Gedanken zu Gunsten der Kinder gemacht haben mag, sich gleichzeitig allerdings zu deren Ungunsten verrechnet hat, sodass das Gesetz schon vor dessen Inkrafttreten durch ergänzende Vorschriften nachgebessert werden musste.
Wie Sie wissen, ist die Düsseldorfer Tabelle in drei Altersstufen und in mehrere Einkommensgruppen unterteilt. Nach der ersten Einkommensstufe (bis 1300,00 €) waren bisher zu zahlen:
0-5 Jahre | 6-11 Jahre | 12-17 Jahre |
202,00 € | 245,00 € | 288,00 € |
Bisher wurde das Kindergeld nur anteilig berücksichtigt, sodass sich der Zahlbetrag belief auf
196,00 € | 245,00 € | 288,00 € |
Das neue Recht knüpft den Mindestkindesunterhalt nach einer auf den ersten Blick nicht leicht zu verstehenden Vorschrift an den doppelten Freibetrag nach dem Einkommenssteuergesetz an. In § 1612 a BGB heißt es:
"Ein minderjähriges Kind kann von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz des Mindestunterhalts verlangen. Der Mindestunterhalt richtet sich nach dem doppelten Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach § 32 Abs. 6 Satz 1 des Einkommenssteuergesetzes."
Der Freibetrag macht derzeit pro Jahr und Elternteil 1824,00 € aus, für beide Elternteile somit 3684,00 €. Der Mindestunterhalt beträgt nach neuem Recht jetzt in der ersten Einkommen-sstufe
87% des Monats- betrages |
100% des Monats- betrages |
117% des Monats- betrages |
265,00 € | 304,00 € | 356,00 € |
Zu beachten ist jedoch, dass das Kindergeld jetzt wieder, wie schon einmal, nicht nur anteilig, sondern immer in Höhe des hälftigen Betrages von in der Regel 77,00 € in Abzug gebracht wird.
Zu zahlen damit nach dem neuen Recht
188,00 € 227,00 € 279,00 €
gegenüber früher
202,00 € 245,00 € 288,00 €
Wo bleibt da die Besserstellung des Kindes? Um seinen eigenen Fehler auszumerzen, hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung geschaffen, wonach es solange bei den bisherigen Beträgen verbleiben soll, bis der Kinderfreibetrag und damit der an ihn gekoppelte Mindestunterhalt entsprechend angepasst wurden. Dies kann sicher noch einige Jahre dauern.
Die Richter des Oberlandesgerichts Düsseldorf haben die Angelegenheit insofern vereinfacht, dass die Übergangsregelung schon in die neue Düsseldorfer Tabelle eingearbeitet wurde, die ihnen vorliegt.
2. Ehegatten- und Partnerunterhalt
Zuerst ist klarzustellen, dass der Trennungsunterhalt vom so genannten nachehelichen Unterhalt unterschieden wird. Wir beschäftigen uns im folgendem ausschließlich mit dem nachehelichen Unterhalt.
Maßgeblich ist jetzt § 1569 BGB, in dem es heißt
"Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen."
Nach der bisherigen Regelung stand dem geschiedenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch unter der Voraussetzung zu, dass er sich nicht selbst unterhalten konnte. Die neue Regelung stellt den Grundsatz der Eigenverantwortung in den Vordergrund und betont den Ausnahmecharakter des nachehelichen Unterhalts, indem positiv verlangt wird, dass sich jeder Ehegatte grundsätzlich selbst zu unterhalten hat, also Unterhalt nur beanspruchen kann, soweit er hierzu nicht in der Lage ist. Unterhalt soll nach der Intension des Gesetzgebers die wirtschaftliche Situation des berechtigten Ehegatten nicht verbessern, sondern auf Dauer nur dazu dienen, die Nachteile auszugleichen, die im Zusammenhang mit der Ehe und der für die Zeit der Ehe vereinbarten Aufgabenverteilung eingetreten sind.
Während nach altem Recht nur der so genannte Aufstockungsunterhalt befristet und der Höhe nach begrenzt werden konnte, kann zukünftig jeder Unterhaltsanspruch (wegen Kindesbetreuung, Alter, Krankheit und der Aufstockungsunterhalt) sowohl der Dauer als auch der Höhe nach begrenzt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Dabei ist nicht mehr automatisch von den ehelichen Lebensverhältnissen auszugehen; diese spielen nur noch auf Einwand des Unterhaltsgläubigers eine Rolle.
Brauchte der geschiedenen Ehegatte nach der bisherigen Regelung "nur eine ihm angemessene" Tätigkeit auszuüben, wird von ihm jetzt erwartet, dass er eine objektiv angemessene Tätigkeit ausübt. Hierzu heißt es im Gesetz:
"Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach dem ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre…"
Während bisher bei der Angemessenheitsprüfung positiv festgestellt werden musste, dass die Erwerbstätigkeit den ehelichen Lebensverhältnissen entsprach, muss sich der Unterhaltsgläubiger jetzt darauf berufen, dass eine für ihn mögliche Tätigkeit wegen der ehelichen Lebensverhältnisse unbillig wäre. Dies hat zur Folge, dass es eine Garantie dafür, dass es bei dem ehelichen Lebensstandard auch nach der Scheidung bleibt, nicht mehr gibt.
Besonders ins Auge springen die Änderungen hinsichtlich des so genannten Betreuungsunterhalts.
Während es früher hieß
"Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann."
ist die neue Regelung sehr viel strenger ausgefallen. Jetzt heißt es:
"Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder
Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen."
Eine entsprechende Regelung befand sich bisher schon im Nichtehelichen-Recht. Das Unterhaltsrecht für den geschiedenen Ehepartner wurde - insofern seine Situation verschlechternd - dem Nichtehelichen-Recht angepasst.
Fakt ist, dass in den ersten drei Lebensjahren des Kindes der betreuende geschiedene Ehegatte, soweit er bedürftig und der andere Ehegatte leistungsfähig ist, auf jeden Fall einen Unterhaltanspruch hat. Ob das Kind schon während seiner ersten drei Lebensjahre fremdbetreut werden könnte, ist irrelevant und kann von Seiten des Unterhaltsschuldners nicht eingewandt werden.
Dieser so genannte Basisunterhalt kann unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden, und zwar sowohl im Interesse des Kindes als auch im eventuell vorhandenen Interesse des Ehepartners. Ist das Kind krank, in der Entwicklung zurückgeblieben etc. gibt es Verlängerungsmöglichkeiten.
Ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes wird dem Unterhaltsgläubiger allerdings abverlangt, sich um eine angemessene und ausreichende Fremdbetreuung des Kindes zu kümmern, um selbst für seinen Unterhalt Sorge zu tragen. Ist dies aus krankheitsbedingten Gründen in der Person des Ehepartners nicht möglich, kann auch insofern eine Verlängerung der Zahlungsverpflichtung in Betracht kommen.
3. Rangverhältnisse
Bisher waren die Regelungen auf mehrere Paragraphen verteilt, sehr unübersichtlich und schwierig zu handhaben. Jetzt wurde eine einheitliche Regelung eingeführt mit folgenden Rangstufen:
1. Minderjährige unverheiratete Kinder und so genannte privilegierte volljährige Kinder
2. Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im
Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer
Ehe von langer Dauer…
3. Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nr. 2 fallen
4. Kinder, die nicht unter Nr. 1 fallen
5. Enkelkinder und weitere Abkömmlinge
6. Eltern
7. Weitere Verwandte der aufsteigenden Linie, wobei die näheren den entfernteren vor-
gehen
Bemerkenswert ist, dass in Ziffer 2 dieser Rangfolge auf das Elternsein Bezug genommen wird und nicht darauf, ob die Eltern verheiratet sind. Die Rangeinstufung in Ziffer 2 wird an den Begriff der Elternschaft geknüpft, wobei es irrelevant ist, ob es sich um verheiratete Eltern handelt oder um nicht eheliche Eltern.
Bei den so genannten privilegierten Volljährigen in Ziffer 1 handelt es sich um Kinder, die noch nicht 21 Jahre alt sind, sich jedoch im Haushalt mindestens eines Elternteils aufhalten und nach wie vor eine allgemeine Schule besuchen.
Wie bereits oben beim Kindesunterhalt erwähnt, ist also zunächst der Unterhaltsbedarf der Kinder zu befriedigen. Danach kommen die anderen Berechtigten je nach ihrem Rang, wobei die Vergangenheit gezeigt hat, dass bei normalen wirtschaftlichen Verhältnissen zumeist für weitere Berechtigte keine Verteilungsmasse mehr zur Verfügung steht.
4. Übergangsregelungen
Das neue Recht gilt ab dem 01.01.2008 für Unterhaltsansprüche, die ab dem 01.01.2008 fällig werden. Es gilt also nicht für Unterhaltsansprüche, die die Zeit bis zum 31.12.2007 betreffen.
Bereits bestehende Titel oder Vereinbarungen können unter bestimmten Voraussetzungen unter Bezugnahme auf das neue Recht abgeändert werden, wobei es beim Kindesunterhalt in der Regel um Erhöhungen gehen wird, beim Ehegattenunterhalt eher um Reduzierungen.
Ob abgeändert werden kann oder nicht, ist von zwei Voraussetzungen abhängig:
Zum einen muss eine erhebliche Abweichung gegenüber der nach altem Recht getroffenen Regelung vorliegen. Die Rechtsprechung verlangt hier einen Unterschiedsbetrag von mindestens 10 %.
Zum anderen muss die beabsichtigte Abänderung für den nach neuem Recht Benachteiligten zumutbar sein, wobei sein Vertrauen auf die bestehende Regelung und das Interesse des anderen Teils an einer Anpassung gegeneinander abzuwägen sind.
Was den Kindesunterhalt betrifft, so ist noch eine Besonderheit zu beachten:
Nach bisherigem Recht konnte der Kindesunterhalt nicht nur als fester Betrag, sondern auch als bestimmter Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrages festgesetzt werden. Nach der jetzt geltenden Übergangsregelung ändert sich am Bestand eines solchen Titels oder einer solchen Vereinbarung nichts. Der Titel wird nur automatisch von der bisherigen Bezugsgröße auf den jetzt geltenden Mindestunterhalt umgestellt. Es erfolgt eine automatische Anpassung an die am jetzt geltenden Mindestunterhalt ausgerichteten Prozentsätze. Zu beachten ist, dass nicht der Unterhaltsbetrag vor Berücksichtigung des Kindergeldes maßgeblich ist, sondern der tatsächlich nach Kindergeldverrechnung zu zahlende Betrag.
Wir hoffen, Ihnen zumindest einige Eckpunkte der neuen Regelung näher gebracht zu haben. Letztlich sollte auch in Zukunft in Streitfällen Ihr Weg zu dem Anwalt Ihres Vertrauens führen.
Dass die Novelle des Unterhaltsrechts endlich in Kraft getreten ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass das Gesetz in Zukunft noch etwas verfeinert und ausgearbeitet wird.
S. Peruche, J. Kanthak, G. Hartmann
Rechtsanwälte / Fachanwälte für Familienrecht