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Ehevertrag und Scheidungsfolgenvereinbarung für Unternehmer/ Freiberufler (sog. modifizierte Zugewinngemeinschaft)
1.) Vorbemerkung; Definitionen
Die Zugewinngemeinschaft
Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist durch folgende Prinzipien gekennzeichnet:
- grundsätzliche Gütertrennung,
- teilweise Vermögensbeschränkung (wenige Ausnahmefälle),
- Zugewinnausgleich.
Die Zugewinngemeinschaft besteht kraft Gesetzes, wenn die Eheleute nichts Besonderes vereinbaren. Man spricht daher auch vom gesetzlichen Güterstand.
Nach § 1363 BGB leben die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren. Dabei ist zu beachten, dass das Vermögen des einen Ehepartners und das Vermögen des anderen gerade nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten werden; dies gilt auch für das Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt.
Geteilt wird der Zugewinn, den die Eheleute während ihrer Ehe erzielt haben dann, wenn die Zugewinngemeinschaft endet (Tod oder Scheidung).
Zugewinn ist nach § 1373 BGB der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt.
Der Zugewinnausgleich errechnet sich auf Basis der Verkehrswerte der Vermögensgegenstände, die dem Zugewinnausgleich unterfallen. Der Zugewinnausgleich ist ein Geldanspruch und sofort fällig, falls nichts Abweichendes vereinbart wird.
Nach der sog. güterrechtlichen Lösung erfolgt der Zugewinnausgleich im Falle der Scheidung zu Lebzeiten der Eheleute. Der Zugewinnausgleich kann je nach wirtschaftlicher Situation des Ehepaares ein durchaus nennenswertes Ausmaß annehmen.
Bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Tod eines Ehepartners wird der Zugewinn hingegen i. d. R. durch den erhöhten gesetzlichen oder aber den testamentarisch zugewiesenen Erbteil des Ehegatten abgegolten (erbrechtliche Lösung).
Ein Ehevertrag
ist ein vor oder während der Ehe abgeschlossener Vertrag, in dem die rechtlichen Folgen der Ehe - soweit zulässig - vertraglich geregelt werden. Er umfasst in der Regel mehr als lediglich die güterrechtlichen Verhältnisse der Eheleute (allgemein).
Eine Scheidungsfolgenvereinbarung
ist ein Ehevertrag, der erst bei der Trennung oder im Rahmen des Scheidungsverfahrens aufgesetzt wird zur Regelung ganz konkreter Scheidungsfolgen aufgrund feststehender Fakten (speziell).
Erfordernis der notariellen Form für Ehevertrag/Scheidungsfolgenvereinbarung prüfen (Änderungen durch das neue Unterhaltsrecht stehen an).
2.) Eheverträge auf dem Prüfstand der Gerichte
Bei gravierender Benachteiligung eines Ehepartners sind (können) Eheverträge sittenwidrig und damit unwirksam (sein).Insbesondere darf durch einen Verzicht auf gesetzliche Folgen der Ehe und deren Ende der Kernbereich nicht angetastet werden: Unterhalt für den Partner wegen der Betreuung von Kindern (dieser kann daher nicht wirksam ausgeschlossen werden) sowie der Alters- und Krankheitsunterhalt (hierzu gehört auch der Versorgungsausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt, der ebenfalls nicht uneingeschränkt ausgeschlossen werden kann).
Praktisch bedeutet das: Der betroffene Ehepartner darf nicht zwangläufig zum Sozialfall werden.
Nicht geschützt dagegen ist der Zugewinnausgleich, der grundsätzlich vertraglich vollständig ausgeschlossen werden kann.
Für die Überprüfung eines Ehevertrages durch die Gerichte gilt im Streitfall ein zweistufiges System:
- Es sind nicht nur die Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses relevant (Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB), sondern
"- ebenso die Situation zum Zeitpunkt der Scheidung (Ausübungskontrolle nach § 242 BGB).
Der Vertrag kann daher auch im Verlauf der Ehe sittenwidrig und damit anfechtbar werden.
3.) Sinn und Zweck einer Vereinbarung/eines Ehevertrages
Der Abschluss eines Ehevertrages ist vor allem in folgenden Fällen sinnvoll:
- Vor Eheschließung erbringt ein Partner Leistungen in das Vermögen des anderen (Hausbau)
- Überschuldung eines Ehepartners (bitte ganz genau prüfen ob alleine deshalb ein Ehevertrag erforderlich ist)
- Unterschiedliche Berufausbildungen und Karrierechancen
- Umfassendes Vermögen eines Partners wird eingebracht
- Unternehmen/Kanzlei wird eingebracht oder während der Ehe gegründet
- Vermögensübertragung während der Ehe an den anderen Partner
4.) Praktische Probleme
Es gibt keinen typischen (Unternehmer)-Ehevertrag, der für alle Konstellationen gleichermaßen passt. Bei der Prüfung der Angemessenheit eines individuellen Ehevertrages muss zwingend eine Gesamtbetrachtung der bestehenden Verhältnisse vorgenommen werden. Dazu gehören u. a.
- Alter der Ehepartner
- bestehende Unterhaltsverpflichtungen
- Einkommens- und Vermögensverhältnisse
- Ausbildung und Chancen am Arbeitsmarkt
- die Situation des Unternehmens
- Anzahl der Kinder etc.
- Dauer der Ehe
Ein Ehevertrag muss u. U. angesichts geänderter tatsächlicher, wirtschaftlicher oder gesetzlicher (steuerlicher) Verhältnisse während der Ehe angepasst werden.
Ein Unternehmer muss über alle Folgen der Beendigung einer Ehe sei es durch Tod oder durch Scheidung die Konsequenzen (als Trockenübung) durchspielen, die da sind (Stichpunktartig; nicht erschöpfend):
bei Scheidung:
- Unterhalt:
- während der Trennungszeit
- vor- und nach der Scheidung
- Kinder
- Versorgungsausgleich (Rente)
- Hausrat
- Zugewinn (Teilung was in der Ehe dazuverdient wurde ohne Anfangsvermögen; Erbschaft; Schenkung; Achtung: auch Wertzuwachs durch "Zeit")
bei Tod:
- wer wird Erbe mit welchem Anteil
- was ist mit dem Zugewinn
- Versorgung Ehefrau
Hauptaugenmerk des Unternehmers im Hinblick auf einen Ehevertrag/Scheidungsfolgenvereinbarung:
Der Zugewinnausgleich kann die Liquidität des Unternehmens empfindlich stören
Der Zugewinnausgleich, kann grundsätzlich vertraglich vollständig ausgeschlossen werden.
Aber "nicht das Kind mit dem Bade ausschütten": deshalb an die Möglichkeit des "modifizierten Zugewinnausgleiches" denken.
Der Güterstand der modifizierten Zugewinngemeinschaft hat gegenüber der Gütertrennung den Vorzug, dass einzelne Vermögensgegenstände aus der Zugewinnberechnung ausgeschieden werden, die Teilnahme an dem Zugewinn jedoch teilweise bestehen bleibt.
Grundsätzlich beinhaltet der modifizierte Zugewinnausgleich, dass der Ehepartner, soweit die Ehe durch Tod beendet wird, den gesamten Zugewinn bekommt (§ 1371 BGB), während dieser für den Fall der Scheidung ganz oder teilweise (z. B. beschränkt auf Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen oder bestimmte Erträge) vertraglich ausgeschlossen wird. Da nach der Rechtsprechung der Zugewinnausgleich nicht zum schützenswerten Kernbereich der Ehe gehört, sind bei der modifizierten Zugewinngemeinschaft praktisch alle Varianten möglich.
Varianten:
- Zugewinn wird vollständig für den Fall der Scheidung ausgeschlossen
- Zugewinnausgleich wird beschränkt auf das private Vermögen
- Zugewinn wird auf einzelne Vermögensgegenstände beschränkt
- Zugewinn wird betragsmäßig begrenzt
- Wertzuwachs bei ererbten, geschenkten Vermögen bleibt unberücksichtigt.
Lässt sich der andere Ehepartner nicht auf die modifizierte Zugewinngemeinschaft ein, sollten im Interesse des Unternehmens andere Lösungen im Ehevertrag festgehalten werden: Stundung der Ausgleichszahlung, Ratenzahlungen; günstige und einfache Bewertungsmaßstäbe; Verbot der Zwangsvollstreckung in das Betriebsvermögen etc.
Das BGB enthält keine zwingenden Bewertungsvorschriften. Grundsätzlich ist der Wert des Anfangs- bzw. Endvermögens sachverhaltsspezifisch zu ermitteln und vom Verkehrswert auszugehen (dies ist der bei einer Veräußerung voraussichtlich erzielbare Erlös).
Zwei Abschluss-Merksätze:
1.) Für einen Zugewinnausgleich zu Lebzeiten durch Ehevertrag
Der Anspruch auf den Zugewinnausgleich ist steuerfrei. Hier sieht § 5 Abs. 2 ErbStG vor, dass in den Fällen, in denen der Güterstand der Zugewinngemeinschaft in anderer Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet wird, die in diesem Zusammenhang stehende Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB nicht zum stpfl. Erwerb zählt und somit auch nicht der Besteuerung unterliegt.
2.) Für eine Beachtung des Zugewinnausgleiches durch Tod
Problem: Güterstand und Nachfolgeplanung
Je nach Güterstand können sich bei gesetzlicher Erbfolge unterschiedliche Erbquoten der Ehegatten ergeben, wenn der Erblasser kinderlos ist oder mindestens zwei Kinder hat. In diesen Fällen würde bspw. die Zugewinngemeinschaft zu einer höheren gesetzlichen Erbquote für den Ehepartner führen und somit unmittelbare Auswirkung auch auf die Bemessung der ErbSt entfalten, was nachfolgende Fälle zeigen.
Rechtsanwalt und FA für Steuer- und Familienrecht Georg M. Hartmann