Erbrechtsreform und Pflichtteilsrecht


Vortrag Rechtsanwalt G. Hartmann
Mandantenseminar 28.11.2007



I. Grundsätzliches zur Erbschaftsrechtsreform

Zwar hat sich das deutsche Erbrecht grundsätzlich bewährt, bedarf aber einer Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen (mehr Ehescheidungen, Zusammenleben unverheirateter Paare, Patchwork-Familien etc.).

Deshalb hat das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf auf den Weg gebracht, der das Pflichtteilsrecht modernisieren und erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten ausbauen soll, um der Freiheit des Erblassers einerseits und der Mindestbeteiligung der Abkömmlinge am Nachlass andererseits gerecht zu werden.

Die Höhe des Pflichtteils soll bestehen bleiben, sodass Abkömmlinge, Eltern, Ehegatten und Lebenspartner des Verstorbenen (§ 2303 ff BGB) wie bisher grundsätzlich auch Anspruch auf die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils haben, wenn sie durch Testament oder Erbvertrag vom Nachlass ausgeschlossen sind.

In vier Punkten allerdings sollen die Stellschrauben des Pflichtteilsrechts neu ausgerichtet werden:

1.)
Modernisierung der Pflichtteilentziehungsgründe ( §§ 2333 ff BGB)

2.)
Die Stundungsgründe zur Auszahlung des Pflichtteils( §2331 a BGB) sollen erweitert werden

3.)
Die Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch soll flexibler werden. Nach bisherigem Recht werden Schenkungen des Erblassers an dritte Personen in voller Höhe berücksichtigt, wenn sie bis zu 10 Jahre vor dem Erbfall liegen. Konsequenz: Verstirbt der Erblasser nur einen Tag vor Ablauf dieser Frist, gilt bei der Berechnung für den Pflichtteilsberechtigten, dass die Schenkung noch zum Nachlass gehört. Die Reform soll für Planungssicherheit sorgen, indem die Schenkung für die Pflichtteilsberechnung an Bedeutung verliert, je länger sie zurückliegt: Wird sie im 1. Jahr noch voll einbezogen, soll sie im 2. Jahr nur noch zu 9/10, im 3. Jahr nur noch 8/10 berücksichtigt werden usw..

4.)
Außerhalb des Pflichtteilsrechts sollen Pflegeleistungen beim Erbausgleich berücksichtigt werden. Trifft der Erblasser in seinem Testament bisher keine Ausgleichregelung, geht der pflegende Angehörige häufig leer aus. Künftig soll jeder gesetzliche Erbe einen Ausgleich für Pflegeleistungen erhalten, auch wenn er für die Pflegeleistungen auf ein eigenes berufliches Einkommen verzichtet hat.

Erblasser sollten beachten, dass für Testamente und Erbverträge die Gesetzeslage im Zeitpunkt des Todes gilt:

Formulierungen auf der Basis des geltenden Rechts können also mit Blick auf die sich abzeichnenden rechtlichen und steuerlichen Reformen im Erbrecht in nicht allzu langer Zeit überholt sein.


II. Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Lebensversicherungen

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Lebensversicherungen

Grundsatz: Lebensversicherungen - auch alle Verträge zu Gunsten Dritten auf den Todesfall-, die im Todesfall einem Dritten (Kind, Ehegatte etc) zugute kommen soll, fallen nicht in den Nachlass, weil es Schenkungen außerhalb des Nachlasses sind.

Dadurch war bisher jedenfalls das Pflichtteilsrecht zumindest ganz gut "auszuhöhlen".

Probleme entstehen aber dann, wenn ein Pflichtteilsberechtigter - auch wenn er Erbe wird -, einen so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch hat:

Denn der Erblasser hat ja eine Schenkung an dem Pflichtteilsberechtigten vorbei-"gelenkt" und in die Lebensversicherung "gesteckt".

Bisher waren "Schenkung" nur die über die letzten 10 Jahre gezahlten Versicherungsbeträge; die Rechtssprechung (so zuletzt noch in einer ähnlich gelagerten Konstellation im Insolvenzrecht: LG Göttingen Urteil vom 23.3.2007-4 S6/06 auch der BGH Urteil vom 23.10.2003) geht aber wohl davon aus, dass es sich bei der Schenkung um die ausbezahlte Versicherungssumme handelt. Der Pflichtteilsberechtige hätte also ggfls Zugriff (natürlich nur zu einem Teil) auf diese ausbezahlte Lebensversicherung

Die grundsätzliche Empfehlung durch den Abschluss von Lebensversicherungen Vermögenswerte am Nachlass vorbei zu übertragen, um so Pflichtteilsansprüche zu reduzieren stellt deshalb ein ungeeignetes Mittel dar: Ausnahme man setzt den Dritten unwiderruflich als Begünstigten ein; dann muss man aber wissen, dass man die Begünstigung auch nicht rückgängig machen kann.


III. Mögliche Reduzierung des Pflichtteils

Reduzierung des Pflichtteilsrisikos

1.)
Pflichtteilsreduzierung durch Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten

2.)
Pflichtteilsreduzierung durch Zuwendungen des Erblassers an Dritte

3.)
Pflichtteilsreduzierung durch familienrechtliche und gesellschaftsrechtliche Gestaltungen.

4.)
Pflichtteilsreduzierung durch Vermögensverlagerungen ins Ausland.
So kann bei langfristiger Planung das deutsche Pflichtteilsrecht "effektiv aushebeln".

5.)
Lebzeitige Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten sind ein äußerst geeignetes Mittel zu Pflichtteilsreduzierung, sofern die gesetzlichen Vorgaben (§§ 2315,2325 III BGB) vom Schenker hierzu beachtet werden.

6.)
Absoluten Schutz aber bietet im Einvernehmen mit dem Pflichtteilsberechtigten nur der notariell beurkundungspflichtige - Pflichtteilsverzicht.

Rechtsanwalt und FA für Steuer- und Familienrecht Georg M. Hartmann