Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Seminarvortrag Rechtsanwalt F.W. Dittmann


Obwohl in der letzten Legislaturperiode die damalige Opposition sich berechtigterweise mit Vehemenz gegen das Antidiskriminierungsgesetz gewehrt hatte, wurde nunmehr von der großen Koalition unter dem Namen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes die damalige Vorlage quasi 1 : 1 umgesetzt. Das Gesetz ist im August diesen Jahres in Kraft getreten.

Grundlage des Gesetzentwurfes sind 3 EU-Richtlinien aus den Jahren 2000 bis 2002 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, unter anderem auch im Arbeitsleben. Es wird niemand in Abrede stellen können, dass die grundsätzliche Gleichbehandlung und der Schutz der Minderheiten ein sinnvolles Ziel darstellt, gleichwohl bietet der Gesetzesentwurf eine erneute Überregulierung des Arbeitsrechtes, die letztlich in der Praxis auch nicht zielführend sein wird.

Im Einzelnen:

I. Ziel und Anwendungsbereich

Ziel des Gesetzes ist, die Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG).

In § 2 AGG sind die Felder bestimmt, in denen die Benachteiligungen verhindert werden sollen:

  • Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen bei dem Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit
  • Bedingungen für den beruflichen Aufstieg
  • Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses, sowie bei dem beruflichen Aufstieg

Nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist, wird es eine Vielzahl von Prozessen auslösen im Zusammenhang z.B. bei Einstellung von Personal, ungleicher Entlohnung oder Beförderungsentscheidungen.

Weitere Benachteiligungsbereiche sind:

  • Zugang zu Berufsberatung, Berufsbildung, Weiterbildung und Umschulung
  • Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören
  • Sozialschutz einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste
  • soziale Vergünstigungen
  • Bildung
  • Zugang und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum

Diese Regelung wird erhebliche Probleme aufwerfen für Versicherungsanbieter und Wohnraumanbieter, da in der Praxis unterschiedliche Behandlungen generell kaum vermeidbar sind. Bei Versicherungsleistungen muss der Versicherer nach dem Begleittext des Gesetzentwurfes prinzipiell genau vorrechnen, wie sich unterschiedliche Beiträge für Versicherungsnehmer sachlich und rechnerisch begründen lassen.

Schon heute ist eine Fallkonstellation erkennbar, die zu einer kaum lösbaren Problemstellung führt. Sollte sich eine einzige Person (z.B. Schwarzafrikaner oder Moslem) um einen Arbeitsvertrag, einen Versicherungsvertrag oder eine Mietwohnung bewerben, wird der Vertragspartner keine tragfähige Begründung liefern können, um den Vertragsabschluss abzulehnen. Ihm drohen von vornherein Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach dem neuen Gesetz.

Der Anwendungsbereich wird in § 2 IV AGG dahingehend eingegrenzt, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen im allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten, insbesondere das Kündigungsschutzgesetz. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob sich diese Ausgrenzung des Kündigungsschutzgesetzes in dem juristischen Alltag durchsetzen wird, da der Einfluss der EU-Richtlinie vorrangig ist.

In § 3 AGG werden die einzelnen Benachteiligungen definiert.

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Ausdrücklich genannt ist die ungünstige Behandlung von Frauen wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft. Wegen der von vornherein in der Regel zu unterstellenden Benachteiligung, werden in diesem Zusammenhang alle anderen nicht betroffenen Arbeitnehmer eher benachteiligt.

Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. D.h. bei Abschluss eines Arbeitsvertrages oder einer Betriebsvereinbarung muss von vornherein generell beachtet werden, ob nicht durch zufällige Benachteiligungsmöglichkeiten Schadensersatzansprüche ausgelöst werden.

Als generelle Benachteiligung gilt eine Belästigung, die mit einem in § 1 genannten Grund im Zusammenhang steht, soweit die Würde der betroffenen Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Des weiteren wird die sexuelle Belästigung definiert und der Fall der Anweisung anderer Personen zur Ausübung von Benachteiligungen.

II. Schutz vor Benachteiligungen

Gem. § 7 AGG dürfen in Beschäftigungsverhältnissen wegen eines in § 1 genannten Grundes keine Beschäftigten benachteiligt werden. Individual- oder kollektivrechtliche Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind unwirksam. Dies hat wesentliche praktische Bedeutung für Betriebsvereinbarungen.

Zulässige Benachteiligungen werden in § 8 AGG geregelt, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechtes möglich ist, wenn dies im Zusammenhang der auszuübenden Tätigkeit eine unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit ist. Dies ändert nichts daran, dass zukünftig in allen Berufsbereichen die Gleichbehandlung zu beachten ist. Auch die Besetzung eines Sekretariatspostens wird in Zukunft geschlechtsneutral zu erfolgen haben.

Ausgenommen sind Religionsgemeinschaften (§ 9), in deren Beschäftigungsverhältnissen nach wie vor eine Benachteiligung möglich ist, soweit die Arbeitstätigkeit in direktem Zusammenhang zu dem religiösen Selbstverständnis und dessen Vertreten nach außen steht.

Eine Benachteiligung wegen des Alters ist in engen Voraussetzungen im Zusammenhang mit der auszuübenden Tätigkeit möglich, z.B. Fortbildung bei alsbaldiger bevorstehender Verrentung.

In § 10 VI - VIII AGG werden einige Konstellationen für eine mögliche unterschiedliche Behandlung angeführt im Bereich der sozialen Auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen, bei Einzelvereinbarungen oder Betriebsvereinbarungen, sowie bei Sozialplänen. Es ist jetzt schon absehbar, dass in der Praxis durch den Einfluss der EU-Richtlinie sich nur in begrenztem Umfang die Ausnahmeregelungen durchsetzen lassen, d.h. bei Kündigungen und Sozialplänen, als auch bei Betriebsvereinbarungen entsteht ein großes Risikopotential hinsichtlich etwaiger Benachteiligungen, insbesondere wegen des Alters.

Gem. § 11 AGG muss bei jeder Ausschreibung das Benachteiligungsverbot strengstens beachtet werden.

Deutlich überzogen und mit erheblichen Kosten verbunden sind die Pflichten, die den Arbeitgebern gem. § 12 AGG aufgebürdet werden:

  • Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Benachteiligungen zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben.

Hier entstehen erhebliche Fortbildungs- und Ausfallkosten. In der aktuellen Änderung des Entwurfes wurde zusätzlich aufgenommen, dass die Schulung von Beschäftigten als Erfüllung der Arbeitgeberpflicht zur Vorbeugung vor Benachteiligung gilt.

Will der Arbeitgeber von vornherein nicht für jede Handlung Dritter, seien es Angestellte, Vorgesetzte oder Betriebsfremde haften, so wird er diese Schulungsverpflichtung ernst nehmen müssen. Bei durchgeführter Schulung ist zumindestens erreicht, dass keine Haftung mehr für so genannte Erstverstöße gegeben ist und ggf. Weisungsbefugte selbst in Schadensersatz genommen werden können, soweit sie Ansprüche gegen den Arbeitgeber auslösen.

  • Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung, wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung, zu ergreifen.

Diese Regelung bietet Anlass für erhebliche Betriebsstörungen auf der Basis von Beschwerden querulatorischer Arbeitnehmer.

  • Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte benachteiligt, so hat der Arbeitgeber im Einzelfall geeignete, erforderlich und angemessene Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.

Diese Regelung führt dazu, dass zulasten der Kundenbeziehungen auf Kunden eingewirkt werden muss, um keine Schadensersatzansprüche auszulösen.

  • Die gesetzlichen Bestimmungen und die ergänzenden Regelungen, insbesondere § 61 b ArbGG und die Angaben über die Beschwerdestellen sind dem Betrieb in angemessener Form bekannt zu machen.

Nach § 13 AGG hat jeder Beschäftigte ein Beschwerderecht, wenn er sich benachteiligt fühlt.

Nach § 14 AGG hat er sogar ein Leistungsverweigerungsrecht, d.h. er kann seine Arbeit verweigern, bis zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz.

III. Folgen der Benachteiligung

Gem. § 15 I AGG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz (Ersatz materieller Schaden und/oder Schmerzensgeld) im Falle einer Benachteiligung im Sinne des § 7 AGG.

Der Anspruch auf Schmerzensgeld ist sogar verschuldensunabhängig.

Bei Benachteiligungen in der Auswahl bei Einstellungen, ist der Schadensersatz auf drei Monatsgehälter begrenzt.

Bei Benachteiligungen in der Auswahl bei Einstellungen, ist der Schadensersatz auf drei Monatsgehälter begrenzt.

Der Anspruch auf Schadensersatz ist innerhalb von 2 Monaten schriftlich geltend zu machen. Gemäß § 61 b ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung nach dem AGG innerhalb von 3 Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Insofern besteht eine 2-stufige Ausschlussfrist.

Positiv ist zu bemerken, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines Berufsausbildungsverhältnisses oder eines beruflichen Aufstieges begründet.

In § 16 AGG wird letztlich geregelt, dass niemand wegen der Inanspruchnahme der Rechte aus diesem Gesetz benachteiligt werden soll. Dies gilt auch für Personen, die die Beschäftigten unterstützen oder als Zeugen zur Verfügung stehen. Hier werden Arbeitgeber zukünftig insbesondere im Zusammenhang mit Versetzungen und Kündigungen erhebliche Schwierigkeiten haben.

Gekrönt wird die gesetzliche Bestimmung dadurch, dass in § 22 AGG die Beweislast derart geregelt ist, dass der Arbeitnehmer lediglich die Benachteiligungen nachvollziehbar vortragen muss und dann der Arbeitgeber verpflichtet ist zu beweisen, dass entweder keine Benachteiligung vorlag, oder sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung gegeben sind. Auch diese Regelungen werden querulatorische Arbeitnehmer zu ihren Gunsten zu nutzen wissen.

Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die gesetzliche Regelung sicherlich auf einer positiven und richtigen Motivation beruht, allerdings in der Praxis eher nicht zielführend sein wird, sondern lediglich zu einer erneuten erheblichen wirtschaftlichen Belastung von Arbeitgebern führen wird und zu weiteren Einstellungshindernissen, und damit in der aktuellen wirtschaftlichen Situation kontraproduktiv bleibt.

Des weiteren wird das Gesetz zu einer deutlichen Mehrbeschäftigung von Anwälten führen, so dass es von Anfang an sinnvoll ist, sich mit den Grundlagen vertraut zu machen und möglichst frühzeitig mit einem geeigneten Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt aufzunehmen.


F.W. Dittmann
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht