Aufgabe der Rechtsprechung zur gegenläufigen
betrieblichen Übung


Mit Urteil vom 18.03.2009 gibt das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung ausdrücklich auf.

Ein Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer dreimal in Folge ohne Vorbehalt eine Leistung zuwendet, auf die eigentlich kein Anspruch besteht. Dabei wird die vorbehaltlose Leistung als Angebot des Arbeitgebers auf Änderung des Arbeitsvertrages verstanden, das der Arbeitnehmer durch Entgegennahme der Leistung stillschweigend annimmt. Durch betriebliche Übung wird demnach ein vertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers für die Zukunft begründet.

Dieser Rechtsanspruch konnte zum einen durch Änderungskündigung oder einvernehmliche Abänderung des Arbeitsvertrages, zum anderen durch die sog. gegenläufige betriebliche Übung beseitigt werden. Für eine gegenläufige betriebliche Übung war nach jüngster Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlich, dass der Arbeitgeber die bisher vorbehaltlose Leistung ausdrücklich und unmissverständlich dreimal in Folge mit dem Hinweis tätigte, dass die bisherige Leistung durch eine solche ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht. Das heißt, der Arbeitgeber musste ausdrücklich darauf hinweisen, dass ein Rechtsanspruch entstanden war, der zukünftig nicht mehr bestehen soll. Nahm der Arbeitnehmer die mit diesem Hinweis gewährte Leistung dreimal in Folge widerspruchslos entgegen, entstand die gegenläufige betriebliche Übung. Ein Anspruch auf die Leistung bestand damit für die Zukunft nicht mehr.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Hinblick auf das im AGB-Recht geregelte Klauselverbot für fingierte Erklärungen (§ 308 Nr. 5 BGB), die bisherige Rechtsprechung aufgegeben.

Zunächst stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass der nach Grundsätzen der betrieblichen Übung entstandene Rechtsanspruch kein vertraglicher Anspruch minderer Rechtsbeständigkeit ist und von daher nicht unter erleichterten Voraussetzungen abgeändert werden kann. Die Leistung unter Vorbehalt sei wieder ein Änderungsangebot zum Arbeitsvertrag. Dabei handele es sich, da an alle Arbeitnehmer gerichtet, eine allgemeine Geschäftsbedingung. Vor diesem Hintergrund sei AGB-Recht in die Wertungen mit einzubeziehen. Die Auslegung der widerspruchslosen Entgegennahme der unter Vorbehalt gewährten Leistung als stillschweigende Zustimmung sei mit der Regelung des § 308 Nr. 5 BGB unvereinbar.

§ 308 Nr. 5 BGB regelt für allgemeine Geschäftsbedingungen ein Klauselverbot für fingierte Erklärungen. Danach ist eine Klausel, nach der eine Willenserklärung des Vertragspartners bei Tun oder Unterlassen einer bestimmten Handlung als abgegeben oder nicht abgegeben gilt, grundsätzlich unwirksam. Dies gilt nicht, wenn eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt wird und der Klauselverwender sich verpflichtete, Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung des Verhaltens noch einmal besonders hinzuweisen.

Letzen Endes kann dem nur so begegnet werden, dass von vorne herein keine betriebliche Übung begründet wird. Die wesentlichen Vertragsinhalte sollten schriftlich geregelt sein, wobei gerade im Bereich der freiwilligen Sonderzahlungen auf die korrekten Formulierungen zu achten, um auf zukünftige Entwicklungen flexibel reagieren zu können. Arbeitsverträge sollten zudem eine Klausel enthalten, die den Anforderungen des Klauselverbotes für fingierte Erklärungen genügt.

Nina Dittmann-Kozub
Rechtsanwältin