Das Prozessarbeitsverhältnis
– Wege zur Kündigung ohne Abfindung –
Mandantenseminar Maria Laach 2014
Auch wenn nach dem anzuwendenden Kündigungsschutzgesetz das offizielle Ziel der gesetzlichen Regelung der Erhalt des Arbeitsplatzes ist, werden die Klagen meistens mit der Zielsetzung erhoben, für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zu erhalten. Da sich die Gerichte in der Regel an einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr orientieren, kann dies unter Umständen sehr teuer werden.
Arbeitsrichter argumentieren bereits im Gütetermin bevorzugt mit dem Argument, dass im Falle des Unterliegens im Kündigungsschutzprozess von dem Arbeitgeber für die gesamte Dauer des Verfahrens die Vergütung ohne Gegenleistung nachgezahlt werden muss.
Für den Arbeitgeber stellt sich die Situation von vornherein so dar, dass „die Uhr gegen ihn läuft“ und er „mit dem Rücken gegen die Wand steht“, da tatsächlich im Falle des verlorenen Kündigungsschutzprozesses die komplette Gehaltsnachzahlung droht. Bei einer durchschnittlichen Verfahrensdauer für zwei Instanzen bis zu zwei Jahren wird damit der so genannte Annahmeverzug oftmals zum unkalkulierbaren Risiko.
Es ist daher notwendig, Strategien zu entwickeln, um dieses Annahmeverzugsrisiko von vornherein zu reduzieren und damit zu vermeiden, dass allein aufgrund der erdrückenden Risikolage Abfindungen gezahlt werden. Wie bereits bei früherer Gelegenheit erläutert, führen überhöhte Abfindungszahlungen nicht nur zur Belastung der Betriebskosten, sondern rufen bei der Belegschaft Begehrlichkeiten hervor, die der betrieblichen Entwicklung schaden können.
Eines der wirkungsvollsten Instrumente zur Vermeidung von überzogenen Abfindungszahlungen ist das so genannte Prozessarbeitsverhältnis. Schon die Drohung mit dem Prozessarbeitsverhältnis im ersten Termin bei Gericht (Gütetermin) wirkt oft Wunder, da erfahrungsgemäß Arbeitnehmer, die gekündigt werden, nicht ernsthaft daran interessiert sind, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.
Im Einzelnen:
1. Annahmeverzug:
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bringt der Arbeitgeber mit Ausspruch der Kündigung zum Ausdruck, dass er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr annehmen wird. Erweist sich die ausgesprochene Kündigung später als rechtsunwirksam, befindet sich der Arbeitgeber deshalb– auch ohne konkretes Angebot des Arbeitnehmers – im Annahmeverzug. Er ist deshalb verpflichtet, sämtliche angefallenen Vergütungen nachzuzahlen, ohne dass ihm irgendeine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zuteil wird.
2. Definition des Prozessarbeitsverhältnisses:
Das Prozessarbeitsverhältnis beinhaltet in der ersten Stufe ein Angebot des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, ihn für die Dauer des Prozesses, also bis zum rechtskräftigen Abschluss aller Instanzen, unter Fortzahlung seiner Vergütung am bestehenden oder vergleichbaren Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Zum Abschluss einer solchen Vereinbarung bedarf es der ausdrücklichen Zustimmung des Arbeitnehmers.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist der Arbeitnehmer zwar nicht verpflichtet, zum Erhalt des Annahmeverzuges des Arbeitgebers das Angebot anzunehmen, gleichwohl muss er sich genau das anrechnen lassen, was er durch seine Ablehnung nicht verdient hat. In der wirtschaftlichen Konsequenz heißt das: Keine Lohnansprüche ohne Arbeit.
3. Denkbare Einsatzbereiche:
Eingesetzt werden kann das Prozessarbeitsverhältnis sowohl bei betriebsbedingten Kündigungen als auch personenbedingten Kündigungen (Krankheit) und mit Einschränkungen auch bei verhaltensbedingten Kündigungen.
Vorzugsweise bei der personenbedingten Kündigung ist das Prozessarbeitsverhältnis von unschätzbarem Wert. Durch die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess lässt sich gegebenenfalls bei weiteren Krankmeldungen die notwendige negative Zukunftsprognose erhärten. Bei bevorzugt in der Nähe des Wochenendes anfallenden Krankheitszeiten hat die Kündigung und der nachfolgende Kündigungsschutzprozess oft heilsame Wirkung, selbst wenn in der Sache ein negatives Urteil für den Arbeitgeber ergeht.
Bei der betriebsbedingten Kündigung - Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit - muss man aufpassen, dass man die eigene Argumentationslinie durch das Prozessarbeitsverhältnis nicht torpediert. Eine Beschäftigung an dem „weggefallenen“ Arbeitsplatz macht wenig Sinn. Gleichwohl könnte hier argumentiert werden, dass die Beschäftigung auf dem ursprünglichen Arbeitsplatz für die Dauer des Prozesses eine zulässige Modifikation der unternehmerischen Entscheidung ist. Besser wäre allerdings eine Beschäftigung in einem anderweitigen Bereich, die vom Arbeitsvertrag gedeckt ist.
Bei der verhaltensbedingten Kündigung ist der Arbeitnehmer in der Regel nicht verpflichtet, einem Prozessarbeitsverhältnis Folge zu leisten. Hierzu sieht das Bundesarbeitsgericht ihn allerdings verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer einen so genannten Weiterbeschäftigungsantrag gestellt hat. Damit bringt der unmissverständlich zum Ausdruck, dass er ungeachtet der persönlichen Vorwürfe, mit der die Kündigung begründet wird, im Unternehmen einsatzbereit ist.
4.Schriftform:
Das Prozessarbeitsverhältnis ist naturgemäß ein befristetes „Arbeitsverhältnis“, da es limitiert ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens. Gemäß § 14 IV Teilzeit- und Befristungsgesetz bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages für ihre Wirksamkeit der Schriftform. Dies wird in der Praxis häufig übersehen und ist gerade beim Prozessarbeitsverhältnis von großer Wichtigkeit. Sollte man das Prozessarbeitsverhältnis ohne vorherige Schriftform aufgenommen haben, ist die vorherige Kündigung von vornherein hinfällig und es besteht nach wie vor ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Hier ist größte Sorgfalt geboten.
Ein Muster für den erforderlichen Vertrag, finden am Ende des Skripts.
5. Variante: Rücknahme der Kündigung:
Wenn man sich die Erkenntnis, dass gekündigte Arbeitnehmer in der Regel nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wollen, zu eigen macht und gleichwohl kein Prozessarbeitsverhältnis aus Gründen wie auch immer beginnen will, sollte man eine andere Variante in Erwägung ziehen. Es macht durchaus Sinn, eine einmal ausgesprochene Kündigung zurückzunehmen, wenn die geprüften Erfolgsaussichten schlichtweg zu gering sind. In solchen Fällen kommt es regelmäßig vor, dass die Diskussion über eine Abfindung beendet ist und der Arbeitnehmer die Kündigung doch noch akzeptiert, um die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu vermeiden. Hier kann nur der Mut zum Risiko empfohlen werden. Die Erfolgsquote ist hoch.
Fazit:
Da unabhängig davon, welche Varianten man wählt, diese mit juristischen Risiken versehen sind, macht es Sinn, sich den Rat des Fachanwaltes für Arbeitsrecht einzuholen.
Der Kündigungsschutzprozess ist eine „asymmetrische Auseinandersetzung“, bei der die Ziele oft vorgetäuscht werden und der Arbeitgeber i.d.R die schlechtere Ausgangslage hat. Umso wichtiger ist es für den Berater, die nüchterne strategische Herangehensweise zu fördern.